Wir befinden uns im Jahr 1954 und treffen auf Cécile, ihren Playboy-Vater Raymond, seine junge Geliebte Elsa sowie Anne, die Raymond heiraten möchte. Last and least, gibt es noch Cyril, einen jungen naiven Mann, der zu Céciles Geliebtem wird.
Klar, angesichts der relativen Freizügigkeit dieser Novelle kann ich mir einerseits den moralischen Aufschrei der ehrenwerten Gesellschaft dieser Zeit lebhaft vorstellen. Wenig überraschend sprang wohl auch die Kritik jener Tage schnell auf den Zug dieses Skandals im Wasserglas an.
Was aber letztlich bleibt ist die Geschichte einer verwöhnten 17-Jährigen, die gerade eine Prüfung verhauen hat und den Sommer mit ihrem Vater am Meer verbringt. Elsa, seine Geliebte, “stört” die beiden nicht signifikant in ihrem “Lotterleben”, das in Wahrheit einfach nur entspannt und weitgehend frei von den gesellschaftlichen Konventionen zu sein scheint.
Eine empfindlichen “Dämpfer” erhält das unbeschwerte Beisammensein durch die Anreise von Anne, einer konservativen – um nicht zu sagen: spießigen – Dame, die sich sogleich anschickt, Verantwortung für Cécile übernehmen zu wollen, um den gesellschaftlichen Ruin von Raymond und sich selbst abzuwenden. Empfundene oder tatsächliche Gleichgültigkeit ist Annes herausragende Eigenschaft.
Dafür Anne schnell mit vernichtenden Urteilen…
“»Deine Ansichten sind modern, aber ohne Wert«, sagte Anne.”
… und tut ihr Bestes, Cécile nach ihrem Vorbild “umzumodeln” und Cécile ihrerseits suhlt sich förmlich im “Mißverstanden-werden” und Selbstmitleid:
“Die Natur hatte mich dazu geschaffen, glücklich, unbekümmert und liebenswürdig zu sein, und durch ihre Schuld geriet ich nun in eine Welt der Vorwürfe, des schlechten Gewissens, in der ich mich verlor, denn ich war zu unerfahren in der Kunst der Selbstbetrachtung.”
Wie viele Jugendliche ihres Alters rebelliert Cécile gegen Autoritätspersonen in ihrem Leben und manipuliert mehr oder minder geschickt insbesondere ihren Vater und reagiert auf Bestrafung mit Melodramatik…
“Es war das erstemal, daß ich Grausamkeit kennenlernte.”
… sich dabei auf ein kurzzeitiges Einschließen in ihrem Zimmer beziehend.
Cécile ist schnell in ihren Urteilen…
“Ich sah mit Staunen, wie dieses Mädchen, dessen Beruf es hart an die Grenze der käuflichen Liebe gebracht hatte, so romantisch wurde, so empfänglich für die Kleinigkeit eines Blickes, einer Bewegung – sie, die der knappen Sachlichkeit eiliger Männer ihre Erziehung verdankte.”
… und voll anmaßender Borniertheit…
“Sie hatte auch ein ganz besonderes Lachen, ein sehr volles, ansteckendes Lachen, wie es nur Menschen haben, die ein wenig dumm sind.”
Wahrscheinlich hatte dieses Buch seine Zeit, aber, wie so viele sogenannte “Klassiker”, erscheint es eher ratsam, sich mit moderner Literatur zu befassen und nicht mit angestaubtem Manierismus und Teenager-Zorn.