»Himmlische Dämpfe erfüllten den Raum. »Wussten Sie, dass sich das Kaffeearoma aus rund tausend verschiedenen Einzelaromen zusammensetzt? Wein bringt es gerade einmal auf vierhundert.« Dupin hatte es nicht gewusst oder, genauer: Er hatte es immer schon gewusst. Schließlich war er aus gutem Grund süchtig.«
Selten ist mir eine Rezension so schwer gefallen wie bei diesem Buch – dem immerhin zehnten Krimi um Dupin, der auch im Buch dieses Jubiläum feiert.
Dabei stimmt die Mixtur eigentlich wie immer… Bannalec ist voll Sympathie für seine Figuren und läßt auch die Nebenfiguren wachsen:
»Riwal selbst war ein Phänomen, immer wieder: in einem Augenblick ein bewundernswerter Rationalist, Techniker, bodenständiger Pragmatiker, im nächsten ein mystischer Erzähler.«
Auch Dupin ist ganz er selbst – mal grantig und ungeduldig, mal empathisch und aufgeschlossen. Diesmal – vor dem reizvollen Hintergrund der Belle-Île – ermittelnd, ist er (zumindest nach überstandener Überfahrt!) ganz in seinem Element.
Neben seinem üblichen “normalen” Kaffee, darf Dupin diesmal sogar einer wunderbar zelebrierten Kaffee-Zeremonie beiwohnen, die zudem noch inhaltlich, sprachlich und in ihrer Länge perfekt beschrieben ist – ein Traum für jemanden wie mich, der ebenfalls dem Kaffee – auch in diesem Moment – huldigt!
Daß Dupin dann noch den hausgemachten Whisky – den Six Reines de la Belle-Île – probieren und genießen darf, läßt meine eigene Sehnsucht nach Frankreich (obschon ich mein Herz vor vielen Jahren an das Languedoc-Roussillon (in der heutigen Region Okzitanien) verlor) nur noch größer werden.
Dupin hat diesmal “gefühlt” nur drei (eigentlich zwei) Tage Zeit zur Lösung des Falles, aber über weite Strecken entwickelt sich die Geschichte eher langsam – streckenweise zu langsam. Dann wieder passiert sehr viel in schneller Folge und – schwupps – fällt Dupin die Lösung geradezu in den Schoß. Es ist diesmal sehr viel Glück bei der Aufklärung des initialen Mordes und der weiteren Vorkommnisse im Spiel und das hat Dupin schlicht nicht verdient.
Selbst der Autor läßt Dupin über die Natur der Zeit philosophieren – und das sprachlich sehr nett und bildhaft formuliert:
»Die Zeit verlor alle gewöhnlichen Maße und Strukturen. Sie dehnte sich, rollte sich plötzlich zusammen, verdichtete sich, blieb stehen, dann sprang sie wieder.«
Genau das habe ich aber auch bei der Lektüre verspürt. Das ist schade, denn durch das stark variierende Tempo, das sich gegen Ende in einer spektakulären Such-Aktion dramatisch steigert, fühlte ich mich zeitweise literarisch “mild berieselt” und dann wieder atemlos gehetzt.
Die Naturbeschreibungen sind wieder großartig gelungen und der Bezug zu real-existierenden Orten, z. B. die Glasbläser des Studios “Fluïd” und ihre wunderschönen Gläser (kosten aber leider auch EUR 45,– pro Stück!) lassen die Insel und ihre Bewohner geradezu lebendig werden.
Es sind also keine “groben Schnitzer”, die sich Bannalec hier leistet, sondern es ist eine Vielzahl an Kleinigkeiten, die stören – die vernachlässigten Nebenfiguren (Nevou, LeMenn, Claire), die plump-falschen Fährten, relativ viele lose Enden, die überhastet wirkende Auflösung, ein 87 Jahre alter Kunstgriff (“Twist”) am Ende und eine bestenfalls maue Jubiläumsfeier – das alles ist verzeihlich, aber das implizite Versprechen auf intelligente Spannung und Fortentwicklung; dieses Versprechen konnte auch die schönste “Bretonische Idylle” für mich nicht hinreichend einlösen.
Insofern – mit leisem Bedauern – drei von fünf Sternen.