Homo Faber, von Max Frisch
Homo Faber by Max Frisch
My rating: 5 of 5 stars
“Ich nannte sie eine Schwärmerin und Kunstfee. Dafür nannte sie mich: Homo Faber”
Es muß in den frühen 90’er Jahren gewesen sein, als ich im Bücherschrank meiner Mutter ein Buch im recht nüchtern und sachlich gestalteten weißen Schutzumschlag sah – “Max Frisch”, “Homo faber” und “Bibliothek Suhrkamp” stand dort. Suhrkamp kannte ich – sonst nichts.
(Heute weiß ich, daß es sich um die Hardcover-Ausgabe aus dem Jahre 1962 handelte.)
Ich war damals 16, ein seltsamer Vogel, der immens viel Zeit am Computer verbrachte und ansonsten viel las. So traf ich zum ersten Mal auf Faber…
Walter Faber, ein durch und durch unsentimentaler, nüchterner Techniker, der an nichts glaubt, sondern ein Mann der Wissenschaft ist, trifft nach diversen kurzlebigen Frauenbekanntschaften eine junge Frau – Elisabeth, von ihm jedoch Sabeth genannt- die ihn nicht mehr loslassen wird. Eine ganz besondere Liebesgeschichte. Doch letztlich ist dies eine auf vielfältige Weise tragische Geschichte.
Wie hätte ich dem mit 16 widerstehen können?
Ich verschlang das Buch. Ich wollte Faber sein; natürlich der unantastbare, technophile Faber, der Ingenieur, der die Welt sieht, wie sie ist und sie verändert… Die weniger schönen Seiten des “Homo Faber” blendete ich gründlich aus.
Ich ging beruflich in die IT und wurde tatsächlich ein bißchen wie Faber.
Das Buch wurde eines meiner absoluten Lieblingsbücher – Fabers und Sabeths und ihrer Geschichte wegen.
Rund 30 Jahre sind seither vergangen. Ich bin verheiratet und habe drei Kinder, die jedoch keine Kinder mehr sind. Ich bin immer noch in der IT. Ein wenig wie Faber gewesen zu sein, hat mir nicht immer gut getan.
Aus Neugier habe ich “Homo Faber” nach all diesen Jahren erneut in die Hand genommen. Dieses Mal als eBook, auf dem Kindle. Walter Faber würde es zu schätzen wissen.
Ich war überrascht, wie anders ich das Buch dieses Mal erlebte: Faber, dessen Alter im Buch ich nun nahezu erreicht habe, kann ich besser verstehen. Seine Reise nach Guatemala, seine Unterbrechung eben dieser Reise.
Vor allem aber: Fabers und Sabeths Reise von Paris nach Rom hatte beim ersten Mal “gefühlt” sehr viel mehr Raum eingenommen. Im Grunde war es die Reise (sowohl die tatsächliche als auch die metaphorische), die mich faszinierte; die Figur des Faber und seine Sicht der Welt.
Die Welt vor Sabeth kann Faber verstehen – zumindest hat er eine ganz klare Idee von ihr:
“Wir leben technisch, der Mensch als Beherrscher der Natur”
Die Liebesgeschichte mit Sabeth ist immer noch schön, äußerst behutsam und mit großem Einfühlungsvermögen und Empathie erzählt.
Jetzt jedoch verfolgte ich geradezu schmerzlich, wie Fabers Welt nach dem Unglück vollkommen aus den Fugen gerät und er sie auch nicht mehr verstehen kann:
“Diskussion mit Hanna! – über Technik (laut Hanna) als Kniff, die Welt so einzurichten, daß wir sie nicht erleben müssen.”
Hannahs Kritik an “[der] Weltlosigkeit des Technikers” kann (und will) Faber nicht verstehen. Ohne wirklich zu verstehen, wie es geschehen konnte, ist Faber schuldlos schuldig geworden und zerbricht vollkommen daran. Die Welt, die er zu kennen glaubte, wird ihm fremd.
Mit 16 hatte ich am Schluß des Buches noch Hoffnung für Faber – jedoch mit älteren Augen gelesen, bleibt davon nichts übrig. So oder so wird es für Walter Faber keine Zukunft geben – ohne es zu wollen, hat er alles – sich selbst eingeschlossen – zerstört.
“Hanna hat immer schon gewußt, daß ihr Kind sie einmal verlassen wird; aber auch Hanna hat nicht ahnen können, daß Sabeth auf dieser Reise gerade ihrem Vater begegnet, der alles zerstört –”
Ein wunderbares, schönes, schmerzliches Buch, das jeder (mindestens) ein Mal lesen sollte.
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Eine tolle Review über ein absolut wunderbares und berührendes Buch. Besonders schön fand ich die „Veränderung“ von Walter Faber durch seine Liebe zu Sabeth (auch seine liebevolle Unbeholfenheit), doch leider endet sie tragisch.
„Ich hoffte von Tag zu Tag, daß ich einmal mit ihr sprechen kann, ich war entschlossen, offen zu sein, nur hatte ich Angst, daß sie mir nicht glauben […] würde.“
Eines meiner Lieblingsbücher.
Hallo Daniela, vielen Dank!