Lichtspiel, von Daniel Kehlmann

Lichtspiel by Daniel Kehlmann

My rating: 3 of 5 stars


Ich habe mich schwer getan mit diesem Roman Kehlmanns: Über weite Strecken, über knapp 75% des Buches, habe ich mich “durchbeißen” müssen.

Kehlmann erzählt episodisch mit Zeitsprüngen über seinen Protagonisten G. W. Pabst sowie dessen Familie und Umfeld. Gleich zu Beginn ließ mich der Auftritt Pabsts fiktiven Regieassistentens, Wilzek, ratlos zurück. Wofür sollte das gut sein? Es klärt sich im letzten Viertel des Romans, aber ich empfand diese Rahmenhandlung, die auch ganz am Ende noch einmal aufgegriffen wird, als wenig hilfreich.

“Freudlos” nannte ich den Roman, und das bleibt er durchgängig: Natürlich – das Sujet lässt keinen Raum für Freude, aber das vollständige Fehlen von Lesefreude hat es mir erschwert, dabei zu bleiben.

Zumal mich Pabst als historische Figur wenig interessiert: Als Hitler Reichskanzler 1933 wird, ist Pabst in Frankreich. Für die Nazis gilt er als „der rote Pabst“ und doch kehrt er aus erster Emigration aus den USA für einen Familienbesuch zurück. Er wird gefügiger Mitläufer, der sich instrumentalisieren lässt und Propagandafilme dreht.

»Weder in Frankreich noch in Amerika habe er so ungehindert arbeiten können!\
An diesem Punkt erschrak er normalerweise und sagte, dass es natürlich ein großes Unglück sei, hier festzusitzen.
«

Drumherum erzählt Kehlmann Geschichten um die immer fortschreitende Verstrickung Pabsts in das nationalsozialistische Gefüge und die teilweise erfolgreichen Versuche, auch seine Familie zu vereinnahmen.

Dabei schreibt Kehlmann, wie gewohnt, sprachlich sehr schön und verwendet – je nach Anlass – mehr oder minder subtile Bilder.

»Als er einatmen wollte, war da nur eisiges Wasser, und in der Ferne bewegten sich Monster, das wusste er, obwohl man sie bereits sah: schwarz und vielarmig, heimisch in der Dunkelheit. Und bevor er diese Visionen fortscheuchen, bevor er sich befreien und aufsetzen konnte und seiner Frau ins Gesicht blicken, schwanden ihm die Sinne.«

Wirklich interessant wird der Roman, als Pabst gegen Kriegsende mit den Dreharbeiten zu “Der Fall Molander” beginnt. Denn hier wird zumindest der fiktive Pabst vom Mitläufer, der von nichts wissen will, zum aktiven Mittäter: Er lässt Zwangsarbeiter, Kriegsgefangene und/oder KZ-Häftlinge – der Roman gibt hier ambivalente Fingerzeige – als Statisten einsetzen. (Was der reale Pabst getan hat, ist ungewiss; der Film ist verschollen und zu den Umständen der realen Dreharbeiten ist nichts mehr bekannt.)

Hier erweist sich – und das versteht Kehlmann meisterhaft aufzuzeigen – dass Pabst in einen fanatischen, geradezu besessenen Zustand verfällt und diesem alles und jeden unterordnet.

»«Niemandem», sagte er leise. «Keinem einzigen Menschen. Wird wegen uns etwas angetan. Niemand wurde wegen uns … Der Film muss fertig werden.»«

Der Weg bis zu diesem Wendepunkt des Romans ist jedoch lang und steinig und hätte meiner Überzeugung nach durchaus von Kürzungen profitieren können.

Angetan war ich allerdings auf diesen letzten Seiten von dem Rollentausch Pabsts und seiner Ehefrau Trude: Während er den Verlust seines “Meisterwerks” nicht verwinden kann und in “leidende” Passivität verfällt, wird Trude, die immer ihrem Wilhelm gefolgt ist, aktiv und nimmt ihrer beider Leben entschieden in die Hand.

»«Ich kann kaum was sehen», sagte Pabst.
«Folg mir einfach. Ich bin dir ja auch immer gefolgt.»
Wieder gabelte sich der Gang. Ein Pfeil zeigte nach links.
«Es tut mir leid», hörte sie Pabst sagen.
«Was denn?»
«Alles.»
«

Dieses Ende – nicht etwa das der fiktiven Rahmenhandlung – versöhnte mich ein Stück weit mit der gefühlt ausnehmend langen Beschreibung des Weges Pabsts in den moralischen Untergang.

Für mich insofern kein schlechter, aber doch auch kein wirklich empfehlenswerter Roman.

Drei von fünf Sternen.


Ceterum censeo Putin esse delendam




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