Der Blaue Lotos (Tim und Struppi, Band 4) von Hergé

“Der Blaue Lotus” entstand im Jahr 1934 und wurde bereits 1946 erneut überarbeitet und es wurden wiederum auch inhaltliche Änderungen vorgenommen.

Auch hier versucht Hergé wieder eine “runde” Geschichte zu erzählen, doch leider mißlingt ihm das gründlich: Die Story besteht in wesentlichen Teilen aus Tims fortgesetzter Flucht und Wieder-Inhaftierung. Ein Entkommen ist dabei absurder als das Vorangegangene.

Erstmals allerdings – und das spürt man wohltuend – hat Hergé sich nicht mehr einzig auf “Erlesenes” oder ihm Berichtetes verlassen, sondern hat sich – obschon nicht ganz ohne Druck – mit seiner Materie beschäftigt.

War also bisher der Kolonialismus und Imperialismus uneingeschränkt gut und allenfalls die “edlen Wilden” als Relikte einer im Untergehen begriffenen und “minderwertigen” Kultur geduldet, schlägt das Pendel nun mehr in die andere Richtung aus – Hergé versucht sich mit Hilfe seines Freundes Zhang Chongren, einem chinesischem Künstler, ein besseres Bild zu machen und sich von bornierten Vorurteilen zu verabschieden. Er tut dies auf recht “platte” und naive Weise, aber – und das muß man sich bei der Beurteilung immer vor Augen halten – Hergé ist nun einmal Kind seiner Zeit und muß jedes Quäntchen Freiheit mühsam erringen.

Daß Hergés Bestreben ernst und – unter obigen Aspekten betrachtet – grundsätzlich gelungen ist, ist schon daran zu ermessen, daß er den sog. Boxeraufstand von Tims Freund Tschang historisch korrekt als “Fäuste der Gerechtigkeit [und Harmonie]” bezeichnen läßt, womit er deutlich macht, die Geschichte nicht nur zu verstehen, sondern auch mit der Sache zu sympathisieren – in früheren Bänden hätten alle Nicht-Europäer in “Pidgin” vom “Boxlaufstand” (o. ä.) gesprochen.


So interessant all das auch ist – über seine Sympathie und Freundschaft ist Hergé leider seine Geschichte aus den Fugen geraten: Weder taugt die vorliegende Erzählung als alleinstehender Band, noch gewinnt sie durch die Einbettung in den Kontext der “Zigarren des Pharaos” dessen Fortsetzung sie eigentlich sein soll.

Schulze und Schultze sind auch wieder mit dabei; auch hier wieder zwar als Freunde, aber als Widersacher, die Tim im Auftrag einer korrupten Kolonialbehörde verhaften sollen und dies ganz im Sinne des “Kadavergehorsams” wider besseres Wissen versuchen: “Und um Ihnen zu sagen, daß wir Sie nie für schuldig gehalten haben! Aber Befehl ist Befehl!”


(“Bauz, Bitches!” – wie meine Tochter sagen würde)


Für Fans vielleicht das Richtige, für mich nicht wirklich.





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