Bretonische Nächte (Kommissar Dupin #11), von Jean-Luc Bannalec
Bretonische Nächte by Jean-Luc Bannalec
My rating: 5 of 5 stars
Auf den Tag genau vor einem Jahr überschrieb ich meine Rezension von Band 10 mit den Worten “Nicht schlecht, aber das können Sie besser, Monsieur Bannalec!”.
Und genau das hat Monsieur Bannalec mit “Bretonische Nächte” eindrucksvoll bewiesen; hat er es doch geschafft, einen neuen Höhepunkt dieser ohnehin sehr unterhaltsamen und spannenden Reihe abzuliefern.
Dieses Mal geht es um den Tod von Kadeqs Tante, einen Angriff auf Kadeg selbst und weitere Morde! Natürlich läßt es sich Dupin keinesfalls nehmen, in einem solchen Fall zu ermitteln – auch wenn sich alles ein gutes Stück von Concarneau entfernt abspielt.
In diesem wunderbaren Buch vereint sich für mich alles, was die Reihe um Dupin ausmacht: Genuß (beim Lesen, aber auch bei Speis‘ und Trank!)…
»Das Beste war, den Teller am Ende mit einem Stück Baguette auszuwischen, auf dem sich die Reste der Mayonnaise mit den Aromen der Meeresfrüchte vermischten. Ein marines Elixier.«
Eine wunderbare Sprache, die zeitweise geradezu poetisch wirkt…
»Das Licht hatte jetzt schlagartig abgenommen, die Orange- und Rosatöne wurden ins All gesaugt, so wirkte es, in ein kaltes, wenn auch faszinierendes kristallines dunkles Blau.«
… aber auch – wie das Sujet, das Bannalec so gut zu kennen scheint – mal spröde und wild, mal mitreißend und wortgewaltig sein kann.
Immer aber sind Bannalecs Bücher gefüllt von feiner, aber – auf jeden Fall in diesem Band – nie überbordender Beschreibung von Landschaft im Allgemeinen über ihre Bewohner bis hin zu wichtigen Details des jeweiligen Themas.
»Bald ging es den Hügel hoch. Er sah auf den Tacho. Hundertzwanzig. Auf einer winzigen Straße. Carman fuhr wie Dupin. Ein Fahrstil, mit dem Dupin prinzipiell kein Problem hatte, solange er selbst fuhr.«
Ganz besonders “seine Bretonen” kennt der Autor und charakterisiert sie feinsinnig, intelligent und voller Wärme und Empathie. Dabei ist aber sein Dupin auch schon mal grob und sturköpfig, gleichzeitig aber intelligent und intuitiv – eine Kombination, von der diese Bücher leben und die die Geschichten so reizvoll macht.
Hinzu kommt, daß sich die Dupin-Reihe einfach gut und flüssig lesen läßt. Selten ziehen sich die Dinge, aber erfreulicherweise sind es auch nur ganz selten die großen Zufälle, sondern die kleinen, letztlich nachvollziehbaren Details, die folgerichtig zur Lösung des Falles führen.
Dabei gilt die Sympathie Dupins immer den Opfern und ihren Angehörigen und die Täter sind – nach Überführung – für ihn kaum noch relevant; seine Arbeit ist getan. Gleichzeitig aber ist Dupin einer jener Glücksfälle von Polizisten, die auch genauer hinsehen.
Auch Neues bringen die “Bretonischen Nächte”: Nachdem Nevou – eine der beiden “Neuen” – bisher eher blaß und weitgehend “ungenutzt” blieb, spielt sie hier eine passende, originelle und nuancierte Rolle, was mir gut gefallen hat. War Nevou bisher eher schemenhaft geblieben, habe ich jetzt ein “Bild” von ihr und freue mich auf weitere literarische Begegnungen mit ihr.
Last but not least schwingt bei den Dupin-Romanen aber auch immer eine “Basis-Note” mit, die Anstoß zum Nachdenken gibt – wenn man das möchte…
»Das Haus eines Toten hatte etwas Tröstliches und Trauriges zugleich. War die verstorbene Person in ihm zwar präsent wie nirgendwo, hatte zugleich jedoch alles seinen Bezug und seinen Sinn verloren. Warum befand sich was an welchem Ort? Warum dieses Bild? Dieser Krimskrams? Diese eine aufbewahrte leere Weinflasche? Zu welchem Anlass war sie leer getrunken worden? Warum dieser eine gelbe Stuhl? Diese und Hunderte andere Dinge – alle waren auf die einzigartige Person bezogen, die sich ihre Welt erschaffen hatte. Mit Dingen, die Teil dieser Person geworden waren. Zur ihr gehörten. Nun waren sie einfach nur noch Dinge.«
Dupin lesen, das ist nach nunmehr 11 Bänden schon beinahe ein jährliches Ritual. Eines, das ich sehr mag und ich bin mir ganz sicher, Dupin sähe sich da in schöner Einigkeit mit mir.
»Dupin war eine Weile in sich versunken, dann hatte er Nolwenn angerufen.
Riwal hatte sie bereits mit den wichtigsten Informationen versorgt, dennoch: Das Telefonat nach der Lösung eines Falls stellte ein festes Ritual dar. Und Rituale waren es, die Dupins Leben zusammenhielten und seine Arbeit prägten.«
Dupin lesen; das ist auch ein bißchen nach Hause kommen und hoffen, die Grundfesten mögen unverändert sein:
»Wie auch immer: Es war paradiesisch hier.
Das Panorama, die Natur, das Licht, die Farben, das Meer, das man roch, im Mund schmeckte, der Wind. Nicht zuletzt die wundervolle Terrasse.«
Fünf von fünf Sternen für ein glanzvolles literarisches Zuhause!
Ceterum censeo Putin esse delendam
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