Der ganze Gaston, von André Franquin

Der ganze Gaston von André Franquin

Meine Bewertung: 5 von 5 Sternen


Ich erinnere mich noch genau, wie ich Gaston zum ersten Mal durch meinen Bruder kennenlernte, der eine beachtliche Sammlung der Comicbände besaß. Diese szenischen und oft anarchischen Abenteuer waren eine willkommene Abwechslung zu den eher konventionellen Geschichten, die meine Eltern bevorzugten. Als ich also „Der ganze Gaston“ von André Franquin in die Hände bekam, fühlte es sich an wie eine Reise zurück in diese Zeit.

Gaston, diese chaotische, liebenswerte Figur, hat nichts an seinem Charme und geradezu unglaublichem Unterhaltungswert eingebüßt. Er bleibt der unorganisierte Erfinder und „Schlaffi“ mit dem Herz am rechten Fleck, der ständig im Zentrum von Turbulenzen steht (die er zudem zumeist selbst verursacht hat).

In vielen Momenten treibt Gaston seine Kolleg_innen, allen voran anfangs den völlig überforderten Redakteur Fantasio, später dann den beförderten Demel, in den Wahnsinn.



Auch wenn Gastons Abenteuer oftmals in unvorhersehbaren Katastrophen münden, prägt ihn eine bemerkenswerte Kreativität und Innovationsfreude. Wie könnte ich die legendären „Eierkuchen à la Zeppelin“ vergessen?



Gastons Unschuld und sein Drang zu helfen, auch wenn er oft mehr Schaden als Gutes anrichtet, machen ihn so menschlich und liebenswürdig. Dies umso mehr, als seine Erfindungen nie bösartig (manchmal allerdings überaus schelmisch!) sind, sondern immer ein Zeichen seines unbeirrbaren Optimismus und seines Glaubens daran, die Welt zu verbessern.



André Franquin verfolgt mit Gaston einen überaus menschlichen Ansatz mit viel anarchischem Humor, aber auch einer breiten Palette an Ideen – bis hin zu seinen auf den jeweiligen Strip abgestimmten Signaturen.

„Gaston“ war der Comic, den Franquin auch noch fortsetzte, als er den Comic „Spirou“ aus Gründen seiner Depression abgeben musste. Gaston war für Franquin so wichtig, dass er verfügte, Gaston dürfe nach seinem Tod nicht fortgeführt werden. (Leider hat seine Tochter dies im Rahmen eines Vergleichs mit dem Verlag Dupuis aufgehoben.)

Der Inbegriff der chaotischen (und trotzdem gewissermaßen systematischen) Kreativität, der Faulheit und Bequemlichkeit, seiner Erfindungsgabe und nicht zuletzt unerschütterlicher Tierliebe Gastons ist jedoch jenes zumindest für mich legendäre (und höchst erstrebenswerte!) Bild, das zudem gleichzeitig die Einstellung seiner Kolleg_innen zu Gaston beinahe perfekt widerspiegelt…



Die vorliegende Sammlung umfasst nunmehr endlich alle jemals erschienenen Gaston-Strips in fünf Bänden auf 1200 denkwürdigen Seiten, die ich über die letzten Tage nach vielen Jahren “Abstinenz” im Sinne des Erwerbs höherer Weisheit rezipiert habe… 😉

Einzig weniger interessant in dieser Ausgabe fand ich die in jedem Band am Ende anzutreffenden Abschnitte „Auf den Spuren von Gaston“. Sie enthalten viel Text zur Entstehungsgeschichte, der bestimmt reizvoll und großartig ist, für mich aber nur den Fluss der rasanten Geschichten unterbricht. Doch die ebenfalls darin enthaltenen historischen Skizzen und Illustrationen sind ein wunderschöner Zusatz, der das Werk abrundet.

Insgesamt ist „Der ganze Gaston“ eine wunderbare Zeitkapsel voll (anarchischem) Humor und Wärme. Der zeit- und verschleißlose Charme Franquins einmaligen Werks hat die Jahrzehnte (erfunden bereits 1957!) tadellos überstanden und auf den rassistischen Charakter einer einzigen spezifischen Darstellung wird explizit hingewiesen und dieser eingeordnet. Außerdem war André Franquin auch als Comic-Zeichner immer engagiert – mit Greenpeace gegen den Walfang (Band 5, Seite 88) oder mit Amnesty International für die Menschenrechte (Band 5, Seite 151) und viele mehr.

Wie also könnte ich diesem grandiosen Meisterwerk weniger als fünf von fünf Sternen verleihen?




Ceterum censeo Putin esse delendam




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