Hologrammatica (Aus der Welt der Hologrammatica #1), von Tom Hillenbrand
Hologrammatica: Thriller by Tom Hillenbrand
My rating: 3 of 5 stars
Kennt Ihr noch diese wunderbare Kolumne “Was wurde eigentlich aus?” und dann folgte eine Idee oder ein Mensch? Auf dieses Buch bezogen, müßte jetzt ein knappes “Totgeschrieben!” folgen.
Dann gibt’s noch diesen merkwürdigen Beziehungsstatus “Es ist kompliziert” – und damit hätte ich die beiden Hauptprobleme, die ich mit diesem Buch habe, auf zwei kurze, knappe Punkte gebracht.
Beginnen wir aber am Anfang: Wir befinden uns am Ende des 21. Jahrhunderts. Der Klima-Wandel hat Teile der Welt unbewohnbar gemacht, einige Inseln, etc. sind untergegangen. Die Menschheit ist beträchtlich geschrumpft, dafür aber der Klima-Wandel zumindest verlangsamt. Doch das ist nicht etwa das direkte Verdienst der Menschheit, sondern vielmehr dasjenige einer künstlichen Intelligenz namens Æther, die das Problem des Klima-Wandels durchdenken und lösen sollte. Das hat sie auch getan, eine unbequeme Lösung vorgeschlagen und dann lieber gleich etwas anderes gemacht…
In diesem dystopischen Szenario treffen wir auf Galahad Singh, einen Quästor (Privatdetektiv hätte es auch getan, aber das war wohl zu einfach…), der im Auftrag des “Kiesel-Kaisers” (nur ein Deutscher kann sich diese Bezeichnung ausdenken) eine vermisste Programmiererin suchen soll. Dabei kommt Galahad, Erbe eines Industriemagnaten, einer globalen Verschwörung auf die Spur, schlägt sich mit Schwert-schwingenden Hologrammen, Deathern, Crashern, Körper-klauenden Monstern und Agenten, einer künstlichen Intelligenz, Todes-Schleifen und vielem mehr auseinander.
Æther, Quästor, Deather, Crasher, Techno-Geschwafel – all das ist schlicht unnötig kompliziert und liest sich anstrengend. Erschwert wird dies durch sprachliche Perversionen wie geschriebenen “Dialekt”:
»Is ne KI, Meister. Sicher is da gar nix.« oder auch »Die Analysemonitore sind alle fratze.«
Super! Auch “schön”: Mal anglisiert der Autor und schreibt von “Stripper-Goggles” (blenden holografische Elemente aus. Bekleidung, Du Ferkel, trägt man noch!), dann aber auch gern wieder das eklig eingedeutschte “Unterseher”. Gleichfalls verunglimpft sich die Menschheit auch in über siebzig Jahren noch mit so originellen Schimpfworten wie “Hohlkopf” respektive “Schwammkopf” – einem Autor, der so tief in die Sci-Fi-Klamottenkiste greift, sollte doch besseres einfallen?!
Über weite Strecken begleiten wir Galahad und seinen möglicherweise non-binären Love-Interest, Special Agent in Charge Fran Bittner, auf ausufernden Erkundungstouren, durch endlose Red-Herrings, buchstäblich über Felder, Auen und Rennpisten und überall hin – nur nicht an den wirklichen Ort des Geschehens.
Auch neigt Galahad zu tollkühner Dummheit: Wohlwissend, daß es sich zwangsläufig um eine Falle handeln muß, läuft er buchstäblich sehenden Auges in selbige. Als er dann die Falle mit letzter Sicherheit erkennt, steckt er seinen Kopf noch tiefer in die Schlinge – und wird prompt – Deus ex machina – auf ebenso unwahrscheinliche Weise gerettet.
Und weil nicht nur der Esel auf’s Eis geht, wenn es ihm zu wohl wird, begibt sich unser Autor in die Sci-Fi-Geschichte und recycelt ungelenk Elemente aus “Dune”, “The Expanse” und weiteren Meilensteinen. Nicht so zwar, daß man ihm eines Plagiats bezichtigen könnte, aber doch gut erkennbar.
Am recht abrupten Schluß gibt es noch den einen oder anderen “Twist”, die aber alle so vorhersehbar, teils abgeschmackt sind, daß sie es auch nicht mehr rausreißen können.
Von all dem abgesehen: Was Æther sich da ausgedacht und umgesetzt hat, ist so brillant, daß in Wahrheit keine Regierung dieser Erde dagegen vorgehen würde. Im Gegenteil: Man würde stillschweigend wegsehen und – falls es doch rauskommt – die KI zum Sündenbock machen. Insofern ist schon die Prämisse problematisch.
Außerdem: Eine superintelligente KI? Das kann nur auf eine Weise enden, nämlich so wie im heutigen XKCD:
Drei von fünf Sternen für ein kompliziertes, anstrengendes, überlanges Buch.
Ceterum censeo Putin esse delendam
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