Was im Verborgenen ruht (Inspector Lynley #21), von Elizabeth George
„Was im Verborgenen ruht“ von Elizabeth George
Ein Krimi, der durch den stümperhaften (wiederholten) Versuch der Autorin, eine wichtige Botschaft zu vermitteln, entgleist.
Ich war früher ein großer Fan der Inspector-Lynley-Krimis von Elizabeth George, da sie immer spannend, aufregend, interessant, ernsthaft und manchmal auch unaufdringlich Gedanken zu gesellschaftlichen Themen vermittelten. Der Krimi stand aber immer an erster Stelle.
Das hat in den ersten 12 Büchern dieser Reihe sehr gut funktioniert. In Buch 13 jedoch ließ George eine wichtige Figur sterben und nutzte Buch 14, um die Hintergründe dieses Mordes zu erforschen – und brachte damit die gesamte Serie zum Entgleisen. Seit jenem Buch sind die meisten von Georges „Krimis“ eigentlich ausgedehnte soziale Kommentare, wobei der eigentliche Krimi und die polizeilichen Vorgänge nur eine Nebenrolle spielen.
Sozialkommentare sind in Ordnung und können einen Krimi tatsächlich bereichern und sogar verbessern. Es erfordert jedoch eine besondere Sensibilität und Vorsicht, um sie „nahtlos“ in die Geschichte zu integrieren. Hier können bessere Autor_innen als Elizabeth George erfolgreich sein, während sie, fast tragisch, immer wieder versucht, ihre „Botschaft“ zu vermitteln, und dabei scheitert.
So auch in „Was im Verborgenen ruht„, in dem Lynley und seine Kolleg_innen erst im zweiten Teil des Buches erwähnt werden – als ein Fünftel des Buches schon vorbei ist. Das ist umso bedauerlicher, als sie das Potenzial gehabt hätten, das Buch tatsächlich zu „retten“: Winston Nkata ist derselbe unprätentiöse gute Cop mit einem großen Herzen und einem guten Sinn für Humor wie immer. Barbara Havers ist… Barbara – im besten und im schlimmsten Sinne des Wortes.
Deborah St. James und ihr Ehemann Simon sind wieder mit von der Partie, aber auch sie sind eher in den Hintergrund gerückt. Deborah ist ein wenig präsenter, da sie ein Buch mit Fotos von Opfern weiblicher Genitalverstümmelung (FGM) erstellt.
Das ist in der Tat das Hauptthema dieses Buches: Lynley untersucht den Mord an einer Kollegin, die sowohl selbst verstümmelt wurde als auch in einer Arbeitsgruppe zur Bekämpfung von FGM in London tätig war.
Bevor ich fortfahre, möchte ich einige Dinge klarstellen: Weibliche Genitalverstümmelung ist ein schrecklicher, ekelerregender Eingriff, der nichts anderes bezweckt, als die so missbrauchten Frauen zu unterdrücken und klein zu halten. Sie ist in vielen Ländern zu Recht verboten und sollte weltweit geächtet werden, da sie einen direkten Verstoß gegen die grundlegenden Menschenrechte darstellt.
Leider trägt dieses Buch nicht dazu bei, diese Sache voranzutreiben: Elizabeth George ist als Autorin einfach nicht gut genug, um wirklich etwas zu bewirken. Und tatsächlich lässt sie Lynley gegen Ende des Buches Folgendes sagen:
„Es ist einfacher, die Dinge so zu sehen, wie Teo Bontempi es tat: in Schwarz und Weiß. Wenn es keine Grauzone gibt, über die man nachdenken muss, erscheint eine Entscheidung einfach.““
Dies ist als Kritik an dem Mordopfer, Teo, der Polizistin, die sich gegen FGM eingesetzt hat, gemeint. Es gibt einfach keine „Grauzone“ in Bezug auf FGM – weder im Buch noch in der Welt gibt es etwas anderes als den moralischen Imperativ, sich gegen FGM einzusetzen. Dass George dies aktiv und absichtlich sabotiert, widert mich an.
Was das Buch angeht, so war es größtenteils langweilig: In den ersten zehn Prozent des Buches passiert einfach nichts, abgesehen davon, dass es die Bühne für FGM bereitet und die anderen „Voraussetzungen“ für einen George’schen Krimi mit sozialem Kommentar hinzufügt: häusliche Gewalt, (mindestens) zwei dysfunktionale Ehen, ein Kind mit schweren Behinderungen und andere größere und kleinere Konflikte, die nur die Seitenzahl erhöhen, aber nicht die Geschichte bereichern.
Die Geschichte über den Mord an Teo Bontempi ist bestenfalls glanzlos und, zumindest für mich, überhaupt nicht überzeugend. Außerdem wird sie von all den anderen erzählten Konflikten überrollt und hat keine Chance, wirkliche Spannung aufzubauen.
Lynleys komplizierte Beziehung zu Dairdre nimmt ebenfalls viel Raum ein, und fast nebenbei hat auch Barbaras Geliebter aus einem früheren Buch, Salvatore Lo Bianco, einen kurzen Auftritt.
Zu guter Letzt war ich von der Schreibweise enttäuscht: George schrieb früher in klarer, messerscharfer Prosa mit ausgeklügeltem Satzbau und großartigem Stil. Zumindest im ersten Teil des Buches ist davon nichts mehr übrig. Es gab sogar einige Sätze, bei denen ich mich fragte, ob das wirklich korrektes Englisch ist (ich bin kein Muttersprachler).
Alles in allem war ich ständig am Überlegen, das Buch einfach abzubrechen und habe nur durchgehalten, um zum Ende meines wahrscheinlich letzten Lynley-Romans zu gelangen…
Zwei von fünf Sternen.