Buddenbrooks, von Thomas Mann

Buddenbrooks von Thomas Mann

Meine Bewertung: 5 von 5 stars


Mit Ausnahme einiger Phasen habe ich immer viel und sehr gemischt durch alle Genres gelesen. Da bleibt es nicht aus, daß von nahezu unerträglichem Mist über Durchschnitts-”Kost” so ziemlich alles dabei war. Ganz selten jedoch hatte ich so etwas wie literarische “Erweckungsmomente”. Thomas Manns “Buddenbrooks” war ein solches.

Erschienen 1901 als Mann gerade einmal 26 Jahre alt war, hat “Buddenbrooks” seinen Weltruhm begründet und ihm 1929 den Nobelpreis für Literatur eingebracht, weil das Werk „im Lauf der Jahre eine immer mehr sich festigende Anerkennung als ein klassisches Werk der zeitgenössichen Literatur gewonnen hat.”

Daran hat sich zumindest für mich auch nichts geändert, denn obschon “Buddenbrooks” den Niedergang einer spezifischen Familie im Lübeck des 19. Jahrhunderts schildert, so hat es doch in seinen Grundlagen nichts an Aktualität und Wahrhaftigkeit eingebüßt.

Mann erzählt die Geschichte von vier Generationen der hanseatischen Kaufmannsfamilie Buddenbrook von 1835 bis 1877 mit großer Liebe zum Detail und psychologischem Feingefühl. Als stummer Zeuge taucht der Leser tief in das Leben der Protagonisten ein, ohne dass dies jemals voyeuristisch wirkt. Vielmehr kann man sich den Buddenbrooks kaum entziehen – jede Generation und jedes einzelne Familienmitglied überzeugt durch Komplexität und charakterliche Tiefe.

Die Figuren sind so lebendig und vielschichtig, dass sie mich nicht mehr losgelassen haben. Egal ob der materialistische Johann, der schroffe Thomas oder die ewig kränkliche Klothilde – ich habe jede einzelne Person in ihrer Komplexität verstanden und mich zugleich über und mit ihnen geärgert, gefreut, und musste gefühlt auch schon mal mit ihnen “auf den Steinen sitzen”…

Mann beschreibt sowohl die privaten als auch die geschäftlichen Beziehungen innerhalb der Familie und gibt dabei Einblicke in die gesellschaftlichen Strukturen und Normen des 19. Jahrhunderts.

Die eben bereits angesprochene Charakterisierung der Figuren ist ein wesentliches Element des Romans, und Mann gelingt es hervorragend, die verschiedenen Persönlichkeiten, Träume, Ängste und Hoffnungen der Familienmitglieder lebendig werden zu lassen. Mein persönlicher Lieblingscharakter ist Thomas Buddenbrook; ein intelligenter und zielstrebiger Geschäftsmann, der versucht, das Familienunternehmen zu erhalten und gleichzeitig ein erfülltes Privatleben zu führen. Sein innerer Konflikt, seine Ängste und seine unbedingte Loyalität zur Familie haben mich zutiefst beeindruckt – und sein persönlicher Verfall sowie sein Tod (nach einem Zahnarztbesuch – sehr nachvollziehbar für mich!) haben mich betroffen gemacht.

Ein weiterer bemerkenswerter Charakter ist Tony Buddenbrook, die lebhafte und entschlossene Tochter des Hauses. Ihre gescheiterten Ehen und das schwierige Verhältnis zu ihrem Bruder Thomas sind zentrale Themen des Romans. Die Art und Weise, wie Mann ihre Entwicklung von einer jungen, unbeschwerten Frau zu einer gebrochenen, aber dennoch starken Persönlichkeit darstellt, ist beeindruckend.

Die Sprache des Romans ist ebenso fesselnd wie die Handlung; zugleich kunstvoll und verständlich, voller Anspielungen und Zwischentöne, auf eine sehr poetische Art und Weise. Dabei ist die Sprache jedoch nie verschwurbelt oder schwer verständlich, sondern immer klar und präzise. Manns Stil ist reich an Bildern und Symbolen, die den Leser in die Welt des 19. Jahrhunderts entführen. Er macht aus den alltäglichen Vorgängen eine große Literatur. Seine präzisen Beschreibungen der Orte, an denen die Handlung stattfindet, lassen das Lübeck dieser Zeit lebendig werden. Auch die Dialoge sind authentisch und lebendig gestaltet, sodass man sich als Leser direkt in die Gespräche der Charaktere hineinversetzt fühlt.

Selten habe ich einen Roman gelesen, der auf so meisterhafte Weise literarische Qualität mit breiter Wirkung vereint.

Ein weiteres Highlight des Romans ist die Einbettung historischer Ereignisse und politischer Entwicklungen in die Erzählung. Mann zeigt, wie die gesellschaftlichen Veränderungen und die wirtschaftlichen Herausforderungen des 19. Jahrhunderts das Schicksal der Familie Buddenbrook beeinflussen und zum Niedergang des einst erfolgreichen Kaufmannshauses beitragen. Dabei werden Themen wie der Aufstieg des Bürgertums, die Industrialisierung und der Einfluss der Kirche auf die Gesellschaft behandelt. Diese Themenvielfalt macht den Roman zu einem wichtigen Zeitdokument und zeigt, wie eng miteinander verwoben das Leben der Menschen und die Gesellschaft sind.

Am Ende des Romans bleibt angesichts des Niedergangs der Familie, die nun nur noch in der Erinnerung der Leser weiterlebt, ein Gefühl von Wehmut zurück. Dieser Roman, so mein Gefühl, läßt mich wohl nie mehr los: Ich habe ihn mehrfach gelesen, ich habe das grandiose Hörbuch, gelesen vom unvergleichlichen Gert Westphal, oft auf langen Autofahrten gehört und alle Verfilmungen gesehen (keine war schlecht, keine hat mich vollständig überzeugt).

In Lübeck habe ich mir mit meiner Frau zusammen die Handlungsorte, insbesondere das Buddenbrookhaus in der Mengstraße 4, angesehen und das auch im Roman erwähnte Niederegger Marzipan genossen.

„Buddenbrooks“ ist ein monumentales Meisterwerk von zeitloser Gültigkeit und Thomas Mann ein Autor von formativer Bedeutung, dessen Meisterschaft ich jederzeit wieder neu entdecken möchte.

Fünf von fünf Sternen.


Ceterum censeo Putin esse delendam

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